Eine kleine Einführung
Sehen wir unsere Gesundheit als Ganzes und begreifen, dass Körper und Geist unmittelbar miteinander zusammenhängen, so stoßen wir früher oder später auf den Begriff Trauma.
Trauma wird überwiegend als Schocktrauma anerkannt. Ein Schocktrauma bezieht sich auf eine einzelne akute traumatische Erfahrung, die eine intensive Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit darstellt. Beispiele für Schocktraumata sind Naturkatastrophen, Unfälle, sexuelle Übergriffe oder körperliche Gewalt.
Dieser Aspekt ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Auch wenn wir keines dieser Ereignisse erfahren haben, können wir trotzdem traumatisiert sein. Dies entspricht jedenfalls meiner Erfahrung.
So kann es sein, dass wir auf bestimmte Situationen mit Stress reagieren, obwohl die Situation an sich weder bedrohlich noch objektiv stressig ist. Gerne wird hier das Wort „Trigger“ verwendet. Wir reagieren also unangemessen auf ein von außen betrachtet harmloses Ereignis.
Dr. Gabor Maté bezeichnet Trauma als das, was in dir passiert und nicht was dir passiert ist. Es muss seiner Auffassung nach nicht das eine traumatisierende Ereignis gegeben haben.
Vielmehr sei Trauma als eine Reaktion auf unerträglichen Stress zu werten, der das Nervensystem überlastet und die natürlichen Fähigkeiten des Organismus, mit Stress umzugehen, überfordert.
Wir dürfen uns bewusst werden, dass Trauma in jedem von uns stecken kann und in den meisten von uns auch steckt. Auch wenn wir es zunächst nicht wahrhaben wollen – wer will sich das auch schon gerne eingestehen – so sollten wir es auf jeden Fall immer in Betracht ziehen, wenn wir gesundheitlich nicht weiter kommen oder uns viel zu häufig gestresst fühlen.
Sind wir zum Beispiel extrem aufgeregt und fühlen uns überfordert, z.B. weil wir vor einer Gruppe von Menschen sprechen müssen, kann das enormen Stress auslösen. Nicht nur spüren wir Herzklopfen und Adrenalin, das sich im Körper ausbreitet, auch unser Blutzucker kann plötzlich sprunghaft nach oben schießen. Das geschieht nicht ohne Grund. Unser Körper hat also Gefahr abgespeichert, obwohl (objektiv) keine besteht und reagiert aus seiner Sicht ganz logisch. Nämlich mit Aktivierung des Überlebensmodus und der Ausschüttung von Stresshormonen.
Das Trauma sitzt nicht in unserem Verstand, sondern ist im Körper abgespeichert. Der Körper reagiert ganz automatisch. Dies ist wichtig zu verstehen. Denn hier kommen Glaubenssatzarbeit und Affirmationen an ihre Grenze. Wenn unser Körper es nicht fühlt, kann unser Verstand es noch so oft denken und wollen. Wir drehen uns also im Kreis und sind frustriert, dass all die „Inner Work“ uns nicht den verheißenen Erfolg bringt und wir einfach nicht weiterkommen. Und selbst wenn wir etwas verstanden haben und es auf ein Trauma zurückführen können, heißt es noch lange nicht, dass sich dadurch das Trauma von selbst auflöst. Dafür benötigen wir die richtige therapeutische Unterstützung und viel Geduld mit uns selbst. Es ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen ist. Der Ergebnis dieser Arbeit ist dafür grandios. Wir dürfen uns wieder freier und leichter fühlen und stärken dabei ganz nebenbei unsere Resilienz.
Quellen:
Gabor Maté – The Myth of Normal, Trauma, Illness & Healing in a Toxic Culture, Penguin Random House UK, 2022
Dr. Nicole LePera – How to do the work, Orion Spring, 2021